Ein Essay... vom grossen Fressen in der Medienlandschaft...
Früher standen in fast jedem Dorf zwei Dinge nebeneinander: die Metzgerei – und das Lokalblatt. Beides roch nach Nähe. Beides wusste, was los ist. Und beides hatte einen Namen, den man kannte. Heute steht da: ein Automat mit vakuumiertem Fleisch. Und eine App, in der sich Basel, Bern und Brig denselben Feed teilen.
Was mit Fleisch passiert, geschieht auch mit Worten: Sie werden zentral verarbeitet, portioniert, regionalisiert – und verlieren dabei oft ihren Eigengeschmack. Aus Vielfalt wird Einfalt. Aus Nähe: Standard.
Die grossen Medienhäuser haben in den letzten Jahren Dutzende kleinere Titel geschluckt. Was danach übrig bleibt, wirkt oft nüchtern: reduziert auf Kernressorts, vereinheitlichte Inhalte, schlanke Lokalredaktionen. Was vorher mit eigener Stimme berichtet wurde, kommt jetzt „aus Zürich“. Auch wenn’s um Zizers geht.
Natürlich: Die Inhalte sind korrekt, die Sprache gepflegt, die Gestaltung modern. Und doch fehlt etwas. Ein gewisser Ton. Ein Stück Gegend. Der Bericht vom Kinderchor Bögentrüt, die bissige Glosse über den Gemeinderat, die Notiz zur abgerissenen Linde. Heute liest man stattdessen: noch ein Kommentar zur Weltlage – ebenfalls aus Zürich, ebenfalls zentral.
Irgendwie entsteht so eine neue Form von Leere: nicht durch Schweigen, sondern durch Gleichklang. Lokaljournalismus wird zum Nebenprodukt. Oder zum Newsletter mit regionalem Logo und überregionalem Inhalt.
Lokale Berichterstattung ist keine Nebensache. Sie ist das Sensorium für das, was vor Ort passiert. Wenn das verschwindet, wird nicht nur weniger berichtet – es wird auch weniger gesehen. Und irgendwann auch weniger gefragt und miteinander gelebt.
Kürzlich einen Text in die grosse X-Redaktion eingeschickt . Die Rückmeldung war höflich, kurz, und seltsam eindeutig: „Danke für Ihren Input. Eingesandte Texte drucken wir nicht ab.“ Kein Bezug zum Inhalt. Keine Öffnung. Kein Vielleicht. Ein Satz wie aus dem System. Vielleicht ist das normal. Aber ist normal in dieser Form gut?
Natürlich kann man sagen: Der Medienwandel ist halt da. Weniger Einnahmen, neue Kanäle, neue Lesergewohnheiten. Und ja, es gibt auch positive Entwicklungen – engagierte Blogs, Podcasts, partizipative Formate. Nur: Sie können den strukturellen Rückbau nicht allein auffangen.
Früher war nicht alles besser. Viel Lokales war belanglos, versponnen, voreingenommen. Aber es war nah. Heute ist alles sauber – und glatt. Wer sperrig ist, passt nicht mehr. Oder wird geglättet, bis nichts mehr hängen bleibt.
Vielleicht geht es gar nicht um Nostalgie, sondern um Vielfalt. Die Schweiz: Vielstimmig, widersprüchlich, lebendig. Und das ist kein alter Zopf, sondern ein Schatz.
Was bleibt? Vielleicht dieser Gedanke: Dass Lesende nicht nur Empfangende sind. Sondern Teil des Spiels. Dass nicht jede Stimme gross sein muss – aber sie darf hörbar bleiben. Im Quartier. Im Beizli. Im Gespräch. … in der Medienwelt… Denn Worte, die von irgendwo kommen, erzählen selten von hier.
"Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen dem Blitz und einem Glühwürmchen" – Mark Twain