Gespräch mit einer Fliege über den Kuhfladen

Gespräch mit einer Fliege über den Kuhfladen
Gespräch mit einer Fliege über den Kuhfladen

Was da so scheinbar beiläufig auf der Wiese landet, ist das Ergebnis einer langen, präzisen Reise. Gras, Klee, Wasser – alles wandert durch die vier Mägen der Kuh, wird geknetet, vergoren, weitergereicht. Milliarden Mikroorganismen leisten ganze Arbeit. Am Ende der Reise steht ein Fladen: warm, weich, nährstoffreich. Gut vorbereitet verlässt er den Körper mit rund fünf Metern pro Sekunde – und landet satt und schwer auf dem Boden. Bis zu zwölfmal am Tag, pro Kuh.
Kaum drei Minuten später ein leises Gesumm. Dann eine Landung – zielsicher, entschieden. Sie ist da. Die Schmeissfliege.

Hoppela... Du bist ja schon da?

Natürlich. Das lass ich mir nicht entgehen. Noch warm – ideal.So schnell? Du riechst den Fladen?Je nach Wetterlage ein paar hundert Meter weit. Unsere Antennen sind Hochleistungslabors. Wir nehmen Gerüche in winzigsten Konzentrationen wahr – Ammoniak, Buttersäure, Zersetzungsprodukte. Für euch unangenehm, für uns unverkennbar.

Also bist du... eine Art Dung-Spezialistin?

Ganz genau. Sarcophaga carnaria – Fleischfliege nennen mich die Menschen. Ich gehöre zu den Schmeißfliegen. Und ja: Fliegen leben seit rund 200 Millionen Jahren auf dieser Erde – fast so lange wie die Dinosaurier.

Was genau geschieht nach deiner Landung auf dem Fladen?

Zuerst prüfe ich die Konsistenz. Temperatur. Feuchtigkeit. Alles mit feinsten Sensoren an Beinen, Antennen, Flügeln. Ist der Fladen gut – warm, weich, nicht zu trocken – dann lege ich meine Eier oder Larven ab.

Und dann?

Dann beginnt das Leben. Innerhalb von Stunden schlüpfen die Maden. Sie fressen, wachsen, verwandeln. Sie sind Pionierinnen der Zersetzung. Danach übernehmen andere: Käfer, Würmer, Milben, Pilze. Es ist wie ein Theaterstück der Verwandlung – jeder hat seine Rolle. Und jede ist wichtig.

Das klingt gut organisiert.

Ist es auch. Natur ist Timing. Erst wir, dann die anderen. Je schneller der Abbau, desto schneller gelangt der Dünger zurück in den Boden. Ein Kuhfladen enthält bis zu 90 % Wasser, dazu Stickstoff, Phosphor, Kalium – eine kleine Bodenapotheke. Aber nur, wenn er verrottet.

Braucht es dafür wirklich Fliegen? Könnte das nicht auch ohne euch gehen?

Fliegen sind immer die Ersten. Schon immer. Unsere Larven sind darauf spezialisiert, frischen Dung rasch zu erschliessen. Auch in belasteten Weiden, wo Dungkäfer fehlen, bleiben wir aktiv. Wir reagieren einfach weniger empfindlich auf Rückstände von Entwurmungsmitteln – anders als viele Käferlarven.

Also bist du nicht einfach nur eine lästige Fliege?

Wenn du so willst: eine Dienstleisterin im Biodiversitätsprogramm. Wir sind nicht eklig. Wir sind effizient. Wir transformieren. Apropos Transformation – ich bin dann mal weg. Der nächste Fladen ruft.

„Ich halte nichts für gering, was zur Ordnung der Welt beiträgt.“ – Johann Wolfgang von Goethe