Jagd auf leisen Pfoten – und ihre Folgen

Jagd auf leisen Pfoten - und ihre Folgen für die Biodiversität
Jagd auf leisen Pfoten - und ihre Folgen für die Biodiversität

Die Natur erwacht. Vögel singen, bauen Nester, brüten. Auch Frösche, Eidechsen, Insekten und andere Kleintiere sind jetzt besonders aktiv – und besonders verletzlich. Mit dem Erwachen der Natur beginnt auch die Hochsaison der eleganten Jägerinnen auf Samtpfoten. In der Schweiz leben rund zwei Millionen Hauskatzen – ein grosser Teil davon mit Freigang. Während Hundebesitzer ihre Tiere anmelden und Steuern zahlen, bleibt die Katzenhaltung steuerfrei. Regelungen fehlen – obwohl freilaufende Katzen nachweislich einen erheblichen Einfluss auf die Biodiversität haben.

Sie schleichen majestätisch durch Gärten, legen sich auf fremde Gartenmöbel, freveln durch private Teichlandschaften, dezimieren Singvögel, setzen ihren Kot in Sandkästen – und müssen: nichts. Rund zwei Millionen Katzen leben laut verschiedenen Schätzungen in der Schweiz – ein grosser Teil davon mit Freigang. Katzen sind das beliebteste Haustier des Landes, weit vor den rund 500'000 Hunden. Während Hundebesitzer in der Schweiz ihre Vierbeiner nicht nur steuerlich melden und sie chippen, sondern auch brav Gassi gehen, Tütchen zücken und Gehorsam einfordern müssen, geniessen Katzen grenzenlose, kostenfreie Narrenfreiheit. Kein Formular, keine Plakette, keine jährliche Gemeindesteuer. Ein Leben auf Samtpfoten – ganz ohne Bürokratie.

Doch auch die charmanteste Freigängerin hinterlässt sichtbare Spuren. Katzen haben einen tief verankerten Jägerinstinkt und versuchen alles zu erbeuten, das sich bewegt. Ihre Jagdfreude ist zunehmend ein ernstzunehmender ökologischer Faktor. Gemäss den aktuellen Schätzungen des Bundesamtes für Energie werden in der Schweiz jährlich rund 30 Millionen Vögel von Hauskatzen getötet. Hinzu kommen etwa eine halbe Million Reptilien und Amphibien. Die Vogelwarte Sempach beschreibt die Situation in einem Beitrag von 2022 folgendermassen im Detail: „Katzen sind mit bis zu 430 Individuen pro Quadratkilometer die mit Abstand häufigsten Beutegreifer im Schweizer Siedlungsraum. Beim Rotfuchs, dem häufigsten wilden Raubtier, sind es rund 10 Individuen pro Quadratkilometer. Diese enorme Dichte an Katzen führt dazu, dass jedes Jahr unzählige Vögel von Katzen erbeutet werden – die Schätzungen gehen von bis zu 300'000 Opfern pro Frühlingsmonat aus.“

Viele Katzen streifen weit über Siedlungsränder hinaus – in Felder, auf Wiesen, in den Wald. Und im Wald sind sie zunehmend als invasive Jäger bekannt. In einigen Kantonen gilt rechtlich: Wird eine Katze ausserhalb bewohnter Zonen, tief im Wald, ohne erkennbare Zugehörigkeit gesichtet, darf sie unter Umständen vom Jäger geschossen werden – ein drastisches Mittel, das aufzeigt, wie ernst das Problem mancherorts genommen wird.

Wie könnte man Verantwortung fördern, ohne zu verbieten? Die Idee einer Katzensteuer steht immer wieder im Raum. Sie wäre nicht einfach eine Abgabe, sondern ein Signal: Auch Katzenhaltung ist nicht folgenlos. Eine moderate Steuer – gekoppelt an Registrierung oder Kastration – könnte helfen, die Population besser zu erfassen, unkontrollierte Vermehrung zu begrenzen und langfristig den Druck auf die Fauna zu verringern. Neue Züchtungen wie die Bengalkatze – ursprünglich aus einer Wildkatzenart hervorgegangen – bringen zusätzliche Dynamik in die Debatte. Schön gezeichnet, lebhaft, jagdtriebig. Auch naturbelassene Rassen wie die Norwegische Waldkatze oder Maine Coon gelten als besonders aktiv, bewegungsfreudig und freiheitsliebend. Gerade bei solchen Tieren rückt die Frage nach kontrollierter Haltung stärker in den Fokus.

Schon im frühen 20. Jahrhundert wurde in ornithologischen Fachkreisen über eine Katzensteuer diskutiert – dann lange Zeit kaum mehr beachtet. In den letzten Jahren ist das Thema wieder aufgetaucht, etwa im Rahmen parlamentarischer Vorstösse oder als Vorschlag von Natur- und Tierschutzorganisationen, die auf den zunehmenden Druck auf die Biodiversität hinweisen. In einigen Kantonen wurde das Anliegen zwar politisch geprüft, letztlich aber abgelehnt oder durch mildere Massnahmen wie Chip- oder Kastrationspflicht ersetzt.
Im Dezember 2024 reichte Nationalrätin Meret Schneider eine Motion ein, die den Bundesrat auffordert, eine nationale Registrierungspflicht für Katzen einzuführen. Im Februar 2025 hat nun der Bundesrat diese Motion positiv beantwortet und sich für eine schweizweite Chippflicht ausgesprochen. Am Ende würden nicht nur Wildtiere und die Biodiversität von einer Chippflicht – oder gar einer moderaten Steuer – profitieren. Auch den Katzen selbst käme sie zugute. Laut der Tierschutzorganisation NetAP leben nämlich zusätzlich zu den rund zwei Millionen Hauskatzen schätzungsweise bis zu 700'000 herrenlose Tiere in der Schweiz – häufig das Resultat fehlender Kastration oder unüberlegter Haltung. Schon wenige Pflichten könnten somit helfen, die Population zu erfassen, Vermehrung zu begrenzen – und das Zusammenleben von Mensch, Tier und Natur achtsamer zu gestalten.


„Die Vielfalt der Natur ist kein Luxus – sie ist unsere Lebensgrundlage.“ - Jane Goodall